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Dorfhain- Historie

Presseecho: aus SZ vom 23. August 2001

Eine Heimat für Industriepioniere

Aus der 650-jährigen Geschichte Dorfhains / Lebensunterhalt auch außerhalb der Landwirtschaft

Von Lothar Mende

Nein, natürlich war 1351 nicht das Gründungsjahr von Dorfhain. Eigentlich war es vor 650 Jahren nur die erste Begegnung Dorfhains mit der Bürokratie, die erste Erfassung als Verwaltungsakt, fein säuberlich registriert als 'Hanow' im Lehnbuch des Markgrafen Friedrich des Strengen.

Mit großer Wahrscheinlichkeit hat es für Dorfhain keinen feierlichen Gründungsakt gegeben. Es war eine Spät- oder Nachsiedlung. Das Umland war schon besiedelt, als Frauen oder überzählige Bauernsöhne der umliegenden Dörfer und Einwanderer aus Mainfranken sich ab etwa 1280 auf eine kleine, unverhuft gebliebene Restfläche zwischen dem Weißeritztal und dem Seerenbach nach und nach ansiedelten.

Drei Siedlergruppen machten das Land etappenweise urbar und bildeten zwei Dörfer: Groß- und Kleindorfhain. Erst nachträglich wurden für beide Dörfer ein Erbgericht eingerichtet und eine Kirche erbaut.

Alter Hufenplan gibt Auskunft

Manch einer wird sich fragen, woher dass alles so sicher geschlussfolgert werden kann. In der Tat besitzt Dorfhain ein äußerst seltenes, kostbares und unüberbietbares Beweismittel für seine Gründungsgeschichte. Diese wertvolle Dorfurkunde ist ein alter Hufenplan, 1725 vom kurfürstlichem Oberlandmesser Dietz angefertigt. Verbunden damit ist ein genaues Verzeichnis aller Hufen, was abgetrennt und wer dazugekommen ist.

Diese alte Flurkarte und die Gründe, die zu ihrer Anfertigung führte, ist wieder ein Stück spezieller Dorfhainer Geschichte. Streit gab es im Dorf zwischen den Häuslern und den Bauern. Der sogenannte Quatembersteuerstreit hielt für mehrere Jahrzehnte Ende des 17. Anfang des 18. Jahrhunderts die Dorfpolitik in Atem.

Zunächst zum Sachverhalt: Wie der Name schon sagt, war die Quatembersteuer eine vierteljährlich zu zahlende Kopfsteuer zur Unterhaltung des ,,Kriegsetats" des Kurfürstentums. Insbesondere seit Einrichtung eines stehenden Heeres 1682 in Sachsen wurde jedem Ort eine feste Steuersumme zugeteilt. Die Aufteilung auf die Steuerpflichtigen wurde der Ortsobrigkeit überlassen. Um die gerechte Aufteilung dieser Steuer zwischen den Häuslern und den Bauern kam es nun zu langwierigen Auseinandersetzungen.

Treibende Kraft des Konfliktes waren die Häusler, sie, die von ihrer täglichen Lohnarbeit leben mussten und kein eigenes Land besaßen, fühlten sich gegenüber den Bauern als die vermögenden Landbesitzer im Ort bei der Verteilung der Steuerlast benachteiligt. Um die tatsächlichen Besitzverhältnisse als Grundlage gerechter Steuererhebung im Ort zu ermitteln, veranlassten die Häusler die Anfertigung des besagten Hufenrisses von 1725. Was in dieser Geschichte und an einer Reihe anderer Beispiele in der Entwicklung Dorfhains deutlich wird, ist das zahlreiche, aber vor allemauch aktive und selbstbewusste Auftreten der Häusler im Dorf und das nicht etwa nur im Gegeneinander von Häuslern und Bauern, sondern häufig und gemeinsames Vertreten dörflicher Interessen.

Sehr frühzeitig in der Ortsentwicklung wurden im Dorf Häusler registriert. Das wiederum hängt nun wieder mit den geschilderten Besonderheiten der Besiedlung zusammen. Auf der sehr kleinen Dorfflur, die noch dazu vorwiegend aus kargen Böden bestand, konnten die Bauernstellen schon bald nicht mehr alle Familienmitglieder und Hausgenossen vom landwirtschaftlichen Ertrag ernähren. Immer mehr Dorfhainer mussten ihren Lebensunterhalt außerhalb der Landwirtschaft sichern. Zuerst setzte dieser Prozeß in Kleindorfhain ein, weil dort die Güter mit dem kleineren Hufenmaß lagen, die allerwenigsten die größer werdenden Familien ernähren konnten.

Neben Erwerbsmöglichkeiten wie Waldwirtschaft, Seerenbach, Holzfällen, Flößen spielte dabei auch der Bergbau eine Rolle.

Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfhainer Bergbaus erfolgte im Berglehnbuch 1511. Im Zeitraum von 1550 bis 1850 sind 130 Grubennamen belegbar. Nicht nur im Bergbau direkt gab es Arbeitsplätze, vor allem entwickelten sich zahlreiche für den Bergbau benötigte Gewerke, wie Schmied und andere. So entwickelte sich Dorfhain, obwohl an Fläche sehr klein und eingeschränkt doch mit einer dafür überdurchschnittlichen Einwohnerzahl. Diese Entwicklung brach aber auch nicht ab, als der Bergbau zum Erliegen kam. Es entstanden zahlreiche neue Gewerbe, so waren in Dorfhain auch Stuhlbauer nachweisbar.

Der Bau und die Inbetriebnahme der Eisenbahn von Dresden nach Tharandt ab 1855 und danach weiterführend bis Freiberg ab 1862 brachte ebenfalls Arbeitsplätze in die Gegend. Für das kleine, idyllisch etwas abseits gelegenes Dorf setzte aber um 1900 eine erstaunliche Industrietradition ein. 1905 gründeten Otto Ellinger (1876-1952) und Max Geißler (1875-1961) als Industriepioniere eine Fabrik zur Herstellung elektrischer und elektrotechnischer Artikel in Dorfhain. Viele Dorfhainer in mehreren Generationen, fanden und finden hier noch immer Lohn und Brot.

Weitere Industriepioniere wurden in Dorfhain geboren bzw. wohnten und arbeiteten hier: Hermann Mende (1885-1940), Begründer der Firma Radio-Mende in Dresden, später Nord-Mende in Bremen; Oskar Bormann (1894-1981), Begründer einer Firma für Radiogehäuse in Tharandt (Bormann & Wille); Max Mende (1889-1969), Erfinder und Hersteller von künstlichen Mahlsteinen; Dipl.-Ing. Johannes Mertig (1906-1999), Entwickler des Potentiometers bei Ellinger & Geißler.

Starkes Wachstum der Einwohnerzahl

Die industrielle Entwicklung führte zu einem Zunehmen der Einwohnerzahl. Dabei waren nach einer Statistik von 1933 bereits nur noch 17,77 Prozent der Bewohner in der Landwirtschaft tätig. In einer gewerblichen Betriebszählung von 1925 wird Dorfhain als zweitgrößter Standort der Elektrotechnischen Industrie in Sachsen ausgewiesen.

Diese Entwicklung brachte natürlich auch einen kleinen Bauboom mit sich, Siedlungen entstanden, die Bebauungsdichte erhöhte sich. Dennoch wurde Dorfhain vom Erscheinungsbild her kein Industriedorf, es blieb bis heute eine idyllische ländliche Gemeinde.

Man kann die Erzählung der Ortsgeschichte beliebig fortsetzen, Jahreszahlen könnten aneinandergereiht und Ereignisse aufgezählt werden. Mit dieser kleinen Exkursion in die Dorfhainer Geschichte sollte ein wenig aufgefordert werden, dass es geschichtliche Entwicklungen gibt, die eine Gemeinde bis in die Gegenwart prägen und wichtig für die Zukunft sind.

· Dorfhain feiert vom 25. August bis 2. September sein Jubiläum.

 

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