Von Lothar Mende
Nein, natürlich war 1351 nicht das Gründungsjahr von Dorfhain.
Eigentlich war es vor 650 Jahren nur die erste Begegnung Dorfhains mit der Bürokratie,
die erste Erfassung als Verwaltungsakt, fein säuberlich registriert als 'Hanow' im
Lehnbuch des Markgrafen Friedrich des Strengen.
Mit großer Wahrscheinlichkeit hat es für Dorfhain keinen feierlichen
Gründungsakt gegeben. Es war eine Spät- oder Nachsiedlung. Das Umland war schon
besiedelt, als Frauen oder überzählige Bauernsöhne der umliegenden Dörfer und
Einwanderer aus Mainfranken sich ab etwa 1280 auf eine kleine, unverhuft gebliebene
Restfläche zwischen dem Weißeritztal und dem Seerenbach nach und nach ansiedelten.
Drei Siedlergruppen machten das Land etappenweise urbar und bildeten
zwei Dörfer: Groß- und Kleindorfhain. Erst nachträglich wurden für beide Dörfer ein
Erbgericht eingerichtet und eine Kirche erbaut.
Alter Hufenplan gibt Auskunft
Manch einer wird sich fragen, woher dass alles so sicher
geschlussfolgert werden kann. In der Tat besitzt Dorfhain ein äußerst seltenes,
kostbares und unüberbietbares Beweismittel für seine Gründungsgeschichte. Diese
wertvolle Dorfurkunde ist ein alter Hufenplan, 1725 vom kurfürstlichem Oberlandmesser
Dietz angefertigt. Verbunden damit ist ein genaues Verzeichnis aller Hufen, was abgetrennt
und wer dazugekommen ist.
Diese alte Flurkarte und die Gründe, die zu ihrer Anfertigung führte,
ist wieder ein Stück spezieller Dorfhainer Geschichte. Streit gab es im Dorf zwischen den
Häuslern und den Bauern. Der sogenannte Quatembersteuerstreit hielt für mehrere
Jahrzehnte Ende des 17. Anfang des 18. Jahrhunderts die Dorfpolitik in Atem.
Zunächst zum Sachverhalt: Wie der Name schon sagt, war die
Quatembersteuer eine vierteljährlich zu zahlende Kopfsteuer zur Unterhaltung des
,,Kriegsetats" des Kurfürstentums. Insbesondere seit Einrichtung eines stehenden
Heeres 1682 in Sachsen wurde jedem Ort eine feste Steuersumme zugeteilt. Die Aufteilung
auf die Steuerpflichtigen wurde der Ortsobrigkeit überlassen. Um die gerechte Aufteilung
dieser Steuer zwischen den Häuslern und den Bauern kam es nun zu langwierigen
Auseinandersetzungen.
Treibende Kraft des Konfliktes waren die Häusler, sie, die von ihrer
täglichen Lohnarbeit leben mussten und kein eigenes Land besaßen, fühlten sich
gegenüber den Bauern als die vermögenden Landbesitzer im Ort bei der Verteilung der
Steuerlast benachteiligt. Um die tatsächlichen Besitzverhältnisse als Grundlage
gerechter Steuererhebung im Ort zu ermitteln, veranlassten die Häusler die Anfertigung
des besagten Hufenrisses von 1725. Was in dieser Geschichte und an einer Reihe anderer
Beispiele in der Entwicklung Dorfhains deutlich wird, ist das zahlreiche, aber vor allemauch aktive und selbstbewusste Auftreten der Häusler im Dorf und das nicht etwa nur
im Gegeneinander von Häuslern und Bauern, sondern häufig und gemeinsames Vertreten
dörflicher Interessen.
Sehr frühzeitig in der Ortsentwicklung wurden im Dorf Häusler
registriert. Das wiederum hängt nun wieder mit den geschilderten Besonderheiten der
Besiedlung zusammen. Auf der sehr kleinen Dorfflur, die noch dazu vorwiegend aus kargen
Böden bestand, konnten die Bauernstellen schon bald nicht mehr alle Familienmitglieder
und Hausgenossen vom landwirtschaftlichen Ertrag ernähren. Immer mehr Dorfhainer mussten
ihren Lebensunterhalt außerhalb der Landwirtschaft sichern. Zuerst setzte dieser Prozeß
in Kleindorfhain ein, weil dort die Güter mit dem kleineren Hufenmaß lagen, die
allerwenigsten die größer werdenden Familien ernähren konnten.
Neben Erwerbsmöglichkeiten wie Waldwirtschaft, Seerenbach,
Holzfällen, Flößen spielte dabei auch der Bergbau eine Rolle.
Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfhainer Bergbaus erfolgte im
Berglehnbuch 1511. Im Zeitraum von 1550 bis 1850 sind 130 Grubennamen belegbar. Nicht nur
im Bergbau direkt gab es Arbeitsplätze, vor allem entwickelten sich zahlreiche für den
Bergbau benötigte Gewerke, wie Schmied und andere. So entwickelte sich Dorfhain, obwohl
an Fläche sehr klein und eingeschränkt doch mit einer dafür überdurchschnittlichen
Einwohnerzahl. Diese Entwicklung brach aber auch nicht ab, als der Bergbau zum Erliegen
kam. Es entstanden zahlreiche neue Gewerbe, so waren in Dorfhain auch Stuhlbauer
nachweisbar.
Der Bau und die Inbetriebnahme der Eisenbahn von Dresden nach Tharandt
ab 1855 und danach weiterführend bis Freiberg ab 1862 brachte ebenfalls Arbeitsplätze in
die Gegend. Für das kleine, idyllisch etwas abseits gelegenes Dorf setzte aber um 1900
eine erstaunliche Industrietradition ein. 1905 gründeten Otto Ellinger (1876-1952) und
Max Geißler (1875-1961) als Industriepioniere eine Fabrik zur Herstellung elektrischer
und elektrotechnischer Artikel in Dorfhain. Viele Dorfhainer in mehreren Generationen,
fanden und finden hier noch immer Lohn und Brot.
Weitere Industriepioniere wurden in Dorfhain geboren bzw. wohnten und
arbeiteten hier: Hermann Mende (1885-1940), Begründer der Firma Radio-Mende in Dresden,
später Nord-Mende in Bremen; Oskar Bormann (1894-1981), Begründer einer Firma für
Radiogehäuse in Tharandt (Bormann & Wille); Max Mende (1889-1969), Erfinder und
Hersteller von künstlichen Mahlsteinen; Dipl.-Ing. Johannes Mertig (1906-1999),
Entwickler des Potentiometers bei Ellinger & Geißler.
Starkes Wachstum der Einwohnerzahl
Die industrielle Entwicklung führte zu einem Zunehmen der
Einwohnerzahl. Dabei waren nach einer Statistik von 1933 bereits nur noch 17,77 Prozent
der Bewohner in der Landwirtschaft tätig. In einer gewerblichen Betriebszählung von 1925
wird Dorfhain als zweitgrößter Standort der Elektrotechnischen Industrie in Sachsen
ausgewiesen.
Diese Entwicklung brachte natürlich auch einen kleinen Bauboom mit
sich, Siedlungen entstanden, die Bebauungsdichte erhöhte sich. Dennoch wurde Dorfhain vom
Erscheinungsbild her kein Industriedorf, es blieb bis heute eine idyllische ländliche
Gemeinde.
Man kann die Erzählung der Ortsgeschichte beliebig fortsetzen,
Jahreszahlen könnten aneinandergereiht und Ereignisse aufgezählt werden. Mit dieser
kleinen Exkursion in die Dorfhainer Geschichte sollte ein wenig aufgefordert werden, dass
es geschichtliche Entwicklungen gibt, die eine Gemeinde bis in die Gegenwart prägen und
wichtig für die Zukunft sind.
· Dorfhain feiert vom 25. August bis 2. September sein
Jubiläum.