Von Peter Hilbert
André Lisson hat einen ungewöhnlichen Job. Als Eisenflechter ist es
der Freitaler zwar gewohnt, Stahlbewehrung für Brücken oder Häuser
herzustellen. Doch seit einigen Wochen hat der 41-Jährige erstmals einen
Arbeitsplatz tief unter der Erde, bei dem es besonders auf Präzision
ankommt. Mit Kollegen und Bergleuten von der Bergsicherung Schneeberg
arbeitet er daran, dass Dresdens größtes Wasserwerk in Coschütz auch in
den nächsten Jahrzehnten gut mit Wasser aus der Talsperre Klingenberg
versorgt werden kann.
Aus dem Osterzgebirge fließt das sogenannte Rohwasser über ein rund
20 Kilometer langes Leitungssystem zum 130 Meter tiefer liegenden
Wasserwerk. Auf dieser Strecke fließt es durch vier in den 1920er-Jahren
bergmännisch gebaute Stollen, erklärt Drewag-Projektleiter Mirco
Helbig. Der älteste von ihnen erstreckt sich zwischen den
Wasserkraftwerken Dorfhain und Tharandt über eine Länge von 3,5
Kilometern. Bei der fünfjährlichen Prüfung dieses Stollens 3 hatten
Experten des Oberbergamts Freiberg 2011 festgestellt, dass ein Abschnitt
marode ist und saniert werden muss. Die mittlerweile fast 100 Jahre
alte Hülle der ellipsenförmigen Röhre aus dem damals üblichen
Stampfbeton unter dem Seerental im Tharandter Wald hatte stark gelitten.
Zum Auftakt wurden 2012 drei kleinere, insgesamt 20 Meter lange
Abschnitte saniert. Dabei stellte sich heraus, dass dieses Stollenstück
im Übergangsbereich zwischen Gneis und vulkanischen Porphyrgestein
liegt. „Dort gab es bis zu fünf Meter tiefe Hohlräume, die teilweise nur
mit losem Gestein verfüllt waren“, erklärt der Projektleiter das
Problem. Die mussten mit Stahlträgern sowie mit Stahlbewehrungsmatten
gesichert und letztlich mit Spritzbeton verfüllt werden, bevor eine neue
Stahlbetonschale hergestellt werden kann. Seit 2014 wird nun der
anschließende 135 Meter lange Stollenabschnitt saniert.
Die Arbeiten ziehen sich so lange hin, da nicht durchgehend
gearbeitet werden kann. Schließlich muss bei der Sanierung die
Wasserzufuhr unterbrochen und das Wasserwerk Coschütz außer Betrieb
genommen werden, nennt Helbig die Voraussetzung. „Das ist nur im Herbst
möglich, wenn nicht so viel Wasser in Dresden verbraucht wird“, sagt er.
Während dieser Zeit übernehmen die Wasserwerke Hosterwitz und Tolkewitz
die Versorgung. In den Jahren seit 2014 geschieht dies jeweils zwischen
September und Dezember.
Seit sechs Wochen geht es im Stollen 3 jetzt wieder zur Sache. „Wir
arbeiten rund um die Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen“, sagt Bauleiter
Sven Mahnert, der die SZ vor Ort mit dem Bergmannsgruß „Glück auf“
empfängt. Schließlich haben der heute 54-Jährige und seine zwölf Männer
von der Bergsicherung Schneeberg einst in Bergwerken gearbeitet. Mahnert
war früher in einem Uranschacht des sowjetisch-deutschen
Bergbaubetriebs Wismut bei Ronneburg. Heute sanieren die Fachleute vor
allem alte Bergwerke und auch solche Stollen wie diesen.
Dessen Sicherung war sehr aufwendig. Damit hatten die Bergleute die
ersten drei Jahre ab 2014 zu tun. Dabei mussten sie rund 1 600 Tonnen
altes Material sowie lose Gebirgsmasse ausbauen und abtransportieren.
Das geschah auf von einer Elektrolok gezogenen Wagen. Denn extra für das
Großprojekt wurden diese Technik in den Schacht gehoben und Gleise
verlegt. So kommt auch der Materialnachschub mit dieser Stollenbahn.
Mittlerweile sind die Hohlräume rings um den Stollen mit Spritzbeton
gesichert.
Die Arbeiter sind schon weit gekommen. Die Kunststoffhülle aus
einzelnen Bahnen ist verschweißt und mit Druckluft geprüft, verweist
Bauleiter Mahnert auf den ersten Schritt. Derzeit wird die
Stahlbetonschale hergestellt. Sechs Meter Bewehrung montieren André
Lisson und seine Eisenflechter-Kollegen täglich. Damit sie
zentimetergenau sitzt, wird die Mitte der Ellipse genau mit dem
Laserstrahl bestimmt, sodass die Abstände der Stahlbewehrung genau
vermessen werden können, erklärt der Fachmann. „Ein Ingenieurbüro nimmt
jeden Abschnitt ab, bevor er zur Betonage freigegeben wird“, verweist
Bauleiter Mahnert auf den nächsten Schritt. Seine Bergleute spritzen
letztlich ein Beton-Wassergemisch mit hohem Druck ins Eisengeflecht –
und das bis zu dreimal. Ein harter Job. „Da es stark staubt, haben meine
Leute Atemmasken, Helme und Schutzbrillen auf“, sagt Mahnert.
Sie müssen sich auch abwechseln, da eine ganze Schicht bei dem Job
nicht durchzuhalten ist. Die Arbeit sei so aufwendig wie beim Tunnelbau
durchs Gebirge. Die Eisenflechter und Bergleute haben schon die Hälfte
der Stahlbetonschale fertiggestellt. In einem Monat soll sie komplett
sein, nennt Projektleiter Helbig das Ziel. Dann werden Gleise und
Leitungen abgebaut. Schließlich soll ab Mitte Dezember wieder das
Klingenberger Talsperrenwasser zum Coschützer Werk und dann frisch
aufbereitet in Dresdner Häuser fließen.
Wer in der letzten Zeit aus der Richtung von Edle Krone nach
Tharandt hereinfuhr, konnte die Arbeiten der Drewag Netz GmbH am
Tharandter Wasserwerk bemerken. Ein Teilprojekt auf der Pienner Straße
ist nun abgeschlossen, wie die Drewag auf SZ-Nachfrage mitteilt.
Dabei handelt es sich um die planmäßige Sanierung der
Rohwasserleitung zwischen der Pienner Straße und dem Eingang zu Stollen
4, der die Gleise der Deutschen Bahn quert. Dafür hat die Drewag in
achtmonatiger Bauzeit bis Ende November 120 000 Euro investiert. Die
Rohwasserleitung verbindet die Talsperre Klingenberg mit dem Wasserwerk
Dresden-Coschütz auf einer Länge von 19 Kilometern. Von Klingenberg aus
wird ein Großteil Dresdens mit Trinkwasser versorgt. Wegen des
schlechten Zustands der Leitung lässt die Drewag Netz seit 2007 die
Rohre Stück für Stück sanieren. Direkt im Tharandter Wasserkraftwerk
läuft derzeit noch eine zweite Sanierungsmaßnahme der Drewag. „Seit
September erneuern wir die mehrere Jahrzehnte alten Energievernichter
des Werkes“, sagt Projektleiterin Dorothea Jäger. Für die Sanierung
einzelner Bauteile des Energievernichters investiert die Drewag circa
400 000 Euro. Voraussichtlich im März können die sanierten Bauteile in
das bestehende System wieder eingebaut werden, so Jäger.